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Mit „Vier Gewinnt“ zum Wunschberuf : Datum:

Als junger Mensch muss ich Berufe anfassen und erleben, um sie für mich zu entdecken. Und zwar nicht nur punktuell – sondern langfristig, intensiv und frühzeitig. Das InnoVET-Projekt „ABBO“ geht mit seiner „Frühausbildung“ neue Wege der Berufsorientierung und gibt Jugendlichen spannende Einblicke in Metall- und Elektroberufe.

Junge Frau und junger Mann arbeiten an 3D-Drucker
Copyright: Adobe Stock/NDABCREATIVITY

Auszug aus dem Terminkalender einer Neuntklässlerin in Ostbayern: Additive Fertigung, Konstruktionstechnik, Lasertechnik, Wasserstrahlschneiden, Beschichtungstechnik.

Klingt unwahrscheinlich?

Für 32 Schülerinnen und Schüler zwischen Schwandorf und Tirschenreuth steht genau das im Schuljahr 2022/23 auf dem Programm – und zwar in ihrer Freizeit! „Ich möchte mehr über die Ausbildungsberufe im Metall- und Elektrobereich erfahren. Dadurch dass meine Eltern beide Lehrer sind, kenne ich wenig andere Berufe“, sagt Gymnasiastin Franziska Uhl.

Die „Frühausbildung“ des InnoVET-Projekts „ABBO“ präsentiert den Jugendlichen Querschnittsthemen aus insgesamt 20 Berufen. „Wir wollen das Repräsentative dieser Berufe cool darstellen“, erklärt Sebastian Zaruba, Ausbilder für Metalltechnik im ABBO Team. „Die Schulen haben uns signalisiert: Wir können in der Berufsorientierung zwar die Theorie vermitteln, aber für die Praxis sind wir auf Partner angewiesen“, berichtet der strategische Projektleiter Markus Ringer vom Bedarf in der Region.

Spannende Einblicke in Metall- und Elektroberufe

Junge Menschen müssen Berufe praktisch ausprobieren, anfassen, erleben, um sie für sich zu entdecken. Genau das ermöglicht das Projekt ABBO mit der „Frühausbildung“ als intensivierte Form der Berufsorientierung. Über den Zeitraum eines gesamten Schuljahres bietet sie den Teilnehmenden aus Mittelschulen, Realschulen, Wirtschaftsschulen und Gymnasien Einblicke in Metall- und Elektroberufe vom Produktdesign über 3D-Druck, Lasertechnik oder Wasserstrahlschneiden bis zu Prozesstechnik.

Mit der „Frühausbildung“ geht das InnoVET-Projekt mehrere Herausforderungen der dualen Ausbildung an: Das ABBO-Team zeigt Jugendlichen, warum eine duale Ausbildung eine starke Alternative zum Studium sein kann, stellt die Attraktivität der Ausbildungsberufe heraus und entwickelt mit dem praxisorientierten, langfristigen Format die Berufsorientierung weiter. Das gelingt über ein ausgeklügeltes didaktisches Konzept – und ein selbst gebautes, elektrisch bedienbares Vier-Gewinnt-Spiel.

Die Frühausbildung und das InnoVET-Projekt „ABBO“

Die ABBO-Projektleiter Dr. Markus Ringer und Linda Hellmold erklären, wie die Frühausbildung als innovatives Format der Berufsorientierung funktioniert und was das Besondere dabei ist. Sie zeigen außerdem, wie sie mit den Hightech-Modulen und der Virtuellen Lernwelt verzahnt ist, die das Projekt ABBO ebenfalls entwickelt und erprobt.

: Video : 01:39

Mit sinnvoll verknüpften Lerninhalten zum eigenen Werkstück

Aus Drähten und Blechen fertigen die Teilnehmenden mit dem Vier-Gewinnt-Spiel im Lauf des Schuljahres selbst ein konkretes, nutzbares Produkt. Unter Anleitung probieren die Schülerinnen und Schüler Maschinen, Werkzeuge und Softwaretools selbst aus: So wird per Wasserstrahlschneiden das Gehäuse des Spiels gefertigt. Im Termin zu Fügetechnik/Lasertechnik wird das elektronische Grundgerüst des Spiels erstellt. Wenn es um Beschichtungstechnik geht, verpassen die Jugendlichen ihrem Werkstück ein individuelles Aussehen. Und mit Programmiertechnik geben die Schülerinnen und Schülern ihrem Spiel sein elektrisches Gehirn.

Jede Lerneinheit bereitet auf den nächsten Arbeitsschritt vor, jede Lektion ist sinnvoll mit der nächsten verknüpft. Das heißt: Kein Abklappern unverbundener Themenblöcke, sondern sinnhafte Verzahnung der Lerninhalte. Das hält die Motivation hoch, schafft für die Teilnehmenden ein sichtbares Ergebnis – und begeistert für die präsentierten Berufe.

„Wir denken projekt- und handlungsorientiert“, erklärt Christoph Krause von der Hochschule der Agentur für Arbeit diesen Ansatz. Die Frühausbildung geht über die reinen Wissensangebote in der Berufsorientierung zu Fragen wie „Welche Berufe gibt es?“ und „Was sind meine Stärken?“ hinaus. Schülerinnen und Schülern sammeln praktische Erfahrungen und setzen sich auf dieser Grundlage mit ihrer Berufswahl auseinander. „Wir wollen ihre Berufswahlkompetenz stärken“, erklärt Christoph Krause.

Das elektronische Vier-Gewinnt-Spiel als Werkstück der Frühausbildung

In der Frühausbildung als langfristigem Format der Berufsorientierung arbeiten die Teilnehmenden ein Schuljahr lang an ihrem besonderen Werkstück: einem elektronischen Vier-Gewinnt-Spiel. Der Animationsfilm zeigt anschaulich, wie das Spiel aussieht und aus welchen Bauteilen die Schülerinnen und Schüler es zusammensetzen.

: Video : 01:25

Praxisnah, langfristig, frühzeitig: Angebot schließt Lücke

Mit der Frühausbildung schließt ABBO in der Region Ostbayern eine Lücke, die 26 Schulen, 35 Unternehmen und die Agentur für Arbeit dem InnoVET-Projekt aufgezeigt haben: Gefragt war ein Angebot, das die bestehenden Maßnahmen langfristig und praxisnah begleitet. Gewünscht war außerdem, die Akteure der Lernortkooperation – Betriebe, berufliche Bildungszentren und Schulen – in einem Netzwerk zusammenzuschließen.

Das Angebot sollte frühzeitig ansetzen, deshalb startet die Frühausbildung in den Mittelschulen in Klasse 8, an Real- und Wirtschaftsschulen in Klasse 9 und an Gymnasien in Klasse 10. Wichtig ist den Akteuren in der Region auch ein genaues Matching von Unternehmen, Beruf und Azubi, um Ausbildungsabbrüche zu vermeiden: „Schülerinnen und Schüler sollten sich nicht nur zwei Tage mit einem Berufsfeld beschäftigen und dann ihre Berufswahlentscheidung treffen, sondern langfristig und intensiv“, so Christoph Krause.

Blended-Learning-Konzept bereitet auf praktische Aufgaben vor

Das ABBO-Team setzt bei der Frühausbildung auf ein Blended-Learning-Konzept: Zunächst bereitet ein webbasiertes Training die Schülerinnen und Schüler auf ein Thema wie Löten vor. In einem Online-Termin, der live stattfindet, zeigt ein Ausbilder aus dem ABBO Team, wie Löten praktisch funktioniert. Mit kleineren Hausaufgaben auf einer Lernplattform werden die Termine nachbereitet. Anschließend kommen die Teilnehmenden in die Ausbildungswerkstätte nach Weiherhammer, üben mit dem Lötkolben und löten die Einzelteile ihres Vier-Gewinnt-Spiels zusammen. Natürlich können die Jugendlichen nicht jeden Arbeitsschritt komplett selbst ausführen, denn die Tätigkeiten sind nicht gerade trivial. „Es gilt die Komplexität so zu vereinfachen, dass wir es gut darstellen können“, sagt Ausbilder Sebastian Zaruba.

Schülerin Franziska Uhl jedenfalls kann von den ersten Online-Live-Terminen nur Positives berichten. Beim Thema Konstruktionstechnik stellte das ABBO-Team die Arbeit eines technischen Produktdesigners vor und zeigte, wie mit einer Konstruktionssoftware Teile für den 3D-Druck erstellt werden. „Das war wirklich interessant. Ich wusste nicht, dass das so funktioniert“, staunt die Schülerin.

Die Teilnehmenden der ABBO-Frühausbildung
32 Schülerinnen und Schüler aus der Region Ostbayern sind bei der ersten Auflage der Frühausbildung im Schuljahr 2022/23 dabei gewesen. Copyright: InnoVET-Projekt ABBO

Kurzpraktika geben Einblicke in die Arbeitswelt

Neben den spannenden Technologien und der Arbeit am eigenen Werkstück erwartet die Schülerinnen und Schüler auch Einblicke in die echte Arbeitswelt. In drei zweitägigen Kurzpraktika erkunden sie regionale Unternehmen, gewinnen erste Eindrücke eines Berufs und können erste Kontakte knüpfen. Die Jugendlichen halten in einer „Zielvereinbarung“ mit dem Unternehmen fest, welche Tätigkeiten sie kennenlernen wollen.

Insgesamt 28 Unternehmen aus der Region beteiligen sich bis jetzt. Für sie ist die Frühausbildung eine attraktive Möglichkeit, frühzeitig mit potenziellen Auszubildenden in Kontakt zu kommen und sie für sich und ihre Berufe zu begeistern. „Ich bin als Betrieb intensiver mit den jungen Leuten in Kontakt, kann das Matching verbessern und sie in der Region halten“, erklärt Christoph Krause.

Unterstützung von mehreren Seiten

Weil ein Schuljahr lang ist und Berufsorientierung bei 15-Jährigen nicht immer oberste Priorität hat, unterstützen Berufsberater der Agentur für Arbeit die Jugendlichen pädagogisch und begleiten sie im Prozess der Berufswahl. Von überfachlicher Seite gibt es noch ein weiteres Angebot: Das ABBO-Team und die Stiftung Wertebündnis Bayern haben zusammen ein vierteiliges „Werte-Modul“ entwickelt, das die Generation Z auf Austausch und gegenseitigen Umgang im Unternehmen und damit auf Werte und Kommunikation im Berufsleben vorbereitet.

Am Ende des Schuljahres reflektiert die Schüler-Azubi-Coachin des ABBO-Teams mit den Schülerinnen und Schülern ihre Erfahrungen und unterstützt bei der Planung des Übergangs ins Berufsleben. Wichtig auch hierbei: Die Entscheidung dafür wie es weitergeht, liegt bei den Jugendlichen selbst.

Regionaler Transfer wird vorbereitet 

Für den zweiten Durchgang ab Herbst 2023 hat sich das ABBO-Team als Ziel gesetzt, das Angebot nach Norden und Süden innerhalb Ostbayerns auszuweiten: Hierfür läuft aktuell die Suche nach Unternehmen oder berufsbildende Schulen, die über eine entsprechende technische Ausstattung verfügen. Parallel wird ein Rahmenplan erstellt, der alle Abläufe und Inhalte dokumentiert. Das Modell der Frühausbildung ist so angelegt, dass es auch auf kaufmännische oder soziale Berufe übertragen werden und in die regionalen Strukturen anderer Bundesländer integriert werden kann.

Betriebe und berufsbildende Schulen aus Ostbayern, die sich an der Erweiterung der Frühausbildung ab dem kommenden Schuljahr beteiligen möchten, können sich an das ABBO-Team wenden. Neben der Frühausbildung entwickelt das ABBO-Projekt außerdem sogenannte „Hightech-Module“ zur Weiterbildung für Metall- und Elektrobetriebe sowie eine virtuelle Lernplattform.

Mehr Informationen

  • Einen Überblick über das InnoVET-Projekt „ABBO“ bietet das Projektprofil.
  • Ausführliche Informationen zum Projekt und zur Frühausbildung gibt es unter abbo.de

Autor: Benjamin Dresen