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Sie stecken in Computern, Smartphones und E-Auto-Akkus: Die Mikro- und Nanotechnologien gelten als eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Das InnoVET-Projekt „BM = x³“ stellt die Berufsbildung dieser Branche in Deutschland mit der „Microtec Academy“ auf ein neues Fundament.

Ein Auszubildender der Mikrotechnologie arbeitet mit einem Mikroskop.
Ein kaum sichtbarer Beruf? Fachkräfte der Mikro- und Nanotechnologien sind sehr gefragt! Copyright: FBH/Matthias Baumbach

Frage: Welcher Beruf ist fast so unsichtbar wie die von ihm geschaffenen Produkte? Und seine Fachkräfte werden auf dem Arbeitsmarkt händeringend gesucht?

Keine Idee?

Haben Sie sich schon einmal gefragt, wer die kleinsten Bauteile für Ihren Computer oder Ihr Smartphone herstellt, auf dem Sie diesen Text lesen?        

Das ist die Arbeit von Mikrotechnologinnen und -technologen. Und das ist – nächste Überraschung – ein dualer Ausbildungsberuf.

„Mikrotechnologen sind wie Goldstaub. Sie sind kaum sichtbar, sie sind selten und sie sind wertvoll“, sagt Katharina Kunze vom InnoVET-Projekt „BM = x³“. Auszubildende finden nach dem Abschluss sofort einen Arbeitsplatz. Und auf der anderen Seite kämpfen die Betriebe darum, ihre Ausbildungsplätze besetzen zu können.

Ein abgeformter Wafer aus PDMS wird von der Gießform gelöst.
Mikro- und Nanotechnologien stecken in Computern, Smartphones, E-Auto-Akkus und medizinischen Geräten: Mikrofluidische Strukturen werden vom Wafer gelöst. Copyright: FBH/Matthias Baumbach

Nur 375 Auszubildende lernten diesen Beruf laut Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) im Jahr 2020, im Vergleich zu 27.000 Azubis zum Beispiel im Beruf Mechatroniker/-in. Wer die Ausbildung aber anfängt, bleibt dabei: „Wir haben nahezu keine Abbrecherinnen und Abbrecher“, berichtet Kathrin Knudsen vom Regionalen Berufsbildungszentrum Steinburg in Schleswig-Holstein.

Die Nachfrage nach Fachkräften der Mikro- und Nanotechnologie dürfte in Deutschland weiter steigen: Mehrere Automobilhersteller planen große Batteriefabriken, namhafte Chiphersteller investieren Milliarden in Fertigungsanlagen und die Europäische Union will mit dem „Chips Act“ bei der Produktion von Computerchips global konkurrenzfähig werden.

Warum gibt es so wenige Fachkräfte in dieser Branche, die doch hochattraktiv ist? Was sind die Probleme? Und wie will das Projekt „BM = x³“ sie lösen?

Box: zitat

„Mikrotechnologen sind wie Goldstaub. Sie sind kaum sichtbar, sie sind selten und sie sind wertvoll.“

Katharina Kunze, Ferdinand-Braun-Institut gGmbH

Vielfältige Herausforderungen für die Berufsbildung der Branche

„Jeder nutzt Produkte der Mikro- und Nanotechnologie – aber es ist fast niemandem bewusst“, bringt Antoni Picard von der Hochschule Kaiserslautern eines der Probleme auf den Punkt: Der Beruf „Mikrotechnologe“ ist kaum bekannt. Entsprechend spielt er bei der Berufswahl junger Menschen und in der Berufsorientierung kaum eine Rolle.

Hinzu kommt die Aus-, Fort- und Weiterbildung selbst: „Die Ausbildung ist aufwändig, die Gerätschaften sind teuer und nicht in allen Firmen und Berufsschulen verfügbar. Es braucht unter anderem einen Reinraum mit gefilterter Luft und sauberem Wasser“, erklärt Antoni Picard. Viele Unternehmen der Branche bilden deshalb nicht aus.

Und weil die Zahl der Unternehmen und Auszubildenden im Vergleich zu anderen Berufen eher gering ist, gibt es keine klassischen Bildungsanbieter, die aktuelle Fort- und Weiterbildung ermöglichen. Das schränkt wiederum die beruflichen Perspektiven ein. Denn nach einer Ausbildung endet der fachliche Aufstieg aktuell auf DQR 6 als Aufstiegsfortbildung zum/zur „Staatlich geprüften Techniker/-in Mikrotechnologie“.

Neues Fundament für die Mikrotechnologie-Ausbildung: die Microtec Academy

Zwei Auszubildende Mikrotechnologen justieren eine Anlage.
Die Gerätschaften sind teuer und nicht in allen Firmen und Berufsschulen verfügbar: Zwei Auszubildende justieren eine Anlage. Copyright: FBH/Matthias Baumbach

Um vor diesem Hintergrund mehr vom Goldstaub „Fachkräfte“ zu schürfen, stellt das Projekt „BM = x³“ die Berufsbildung der Branche mit der „Microtec Academy“ auf ein neues Fundament: Sie bietet in naher Zukunft als deutschlandweite, dezentrale Branchenakademie Unterstützung beim Thema Qualifizierung, ob Ausbildung, Weiterbildung oder Aufstiegsfortbildung.

Vier Partner aus der Branche – die Lise-Meitner-Schule in Berlin, das Regionale Berufsbildungszentrum des Kreises Steinburg in Itzehoe, das Institut für Mikrotechnik an der TU Braunschweig und die Hochschule Kaiserslautern – bündeln ihre technischen und personellen Ressourcen. „Wir nutzen vorhandene Infrastruktur, um die Qualifizierung anzubieten, die der Markt braucht. Die Microtec Academy ist nicht ein Haus, sondern umfasst mehrere Standorte mit verschiedenen Anbietern“, erklärt Katharina Kunze.

Microtec Academy unterstützt bei der Ausbildung

Zum einen unterstützt die Microtec Academy die Unternehmen der Branche ganz praktisch bei der Ausbildung: Die Microtec Academy soll mit den Lernorten der Verbundpartner als eine Art dezentrale Überbetriebliche Berufsbildungsstätte (ÜBS) agieren. Denn bislang gibt es in der Branche keine ÜBS, da die Infrastruktur teuer und die Zahl der Unternehmen klein ist. Groß ist aber der Bedarf dafür: Die Ausbildung behandelt die Schwerpunkte „Halbleitertechnik sowie „Aufbau- und Verbindungstechnik. Unternehmen in Deutschland können aber aufgrund ihrer Ausrichtung oft nur den zweiten Schwerpunkt praktisch ausbilden und sind daher auf externe Unterstützung angewiesen.

Auszubildende zur Mikrotechnologin beim Abpusten einer Maske zum Entfernen letzter Partikel.
Saubere Arbeit: Für die Ausbildung braucht es unter anderem einen Reinraum mit gefilterter Luft und sauberem Wasser. Eine Auszubildende zur Mikrotechnologin beim Abpusten einer Maske zum Entfernen letzter Partikel. Copyright: FBH/Matthias Baumbach

Um zum anderen die Fort- und Weiterbildung zu stärken, entwickeln und erproben die Projektpartner 58 Lernmodule im Umfang von je drei ECTS (= 90 Stunden). Sie bieten Qualifizierungen zu den wichtigsten Themen der Mikro- und Nanotechnologien: etwa Photolithographie, Dünne Schichten und Strukturen, Elektrostatische Entladung, Mikroadditionsverfahren, Aufbau- und Verbindungstechnik, Optische Mikrosysteme und Lasertechnologien, aber auch Inspektion und Qualitätsstandards sowie Management-Tools. Zu jedem Thema gibt es Module auf verschiedenen Niveaus: Vorbereitungsmodule für Quereinsteiger oder die gezielte Qualifizierung in Fachmodulen zur Vertiefung eines Themas und Spezialisierungsmodule.

Virtuelles Technologielabor verzahnt digitales und analoges Lernen

Die Akademie will die Kurse fest buchbar anbieten und setzt dabei auf Vermittlungsformate in Präsenz, hybrid oder online. Eine eigene Lernplattform unterstützt das selbstgesteuerte, dezentrale Lernen. Ein besonderes Beispiel für die Verzahnung von digitalem und analogem Lernen ist das in die Lernplattform integrierte „Virtuelle Technologielabor“: Hier lernen Auszubildende einen wichtigen Arbeitsplatz des Berufes kennen. „Das ist wie ein Flugsimulator, mit dem man üben kann, bevor man ins echte Labor geht“, beschreibt es Antoni Picard. Auszubildende kommen so gut vorbereitet zum Intensivkurs ins Labor, kennen die Geräte bereits und können schneller praktisch arbeiten.

Masterabschlüsse sollen Aufstieg ermöglichen

Die Lernmodule sollen außerdem den beruflichen Aufstieg innerhalb der Branche ermöglichen. Das Projektteam arbeitet aktuell an mehreren Masterabschlüssen, in denen die Module zum Einsatz kommen sollen: Zum einen könnten die Module der Microtec Academy auf dem Niveau DQR 7 zu einem Master Professional zusammengefasst werden. Hier klärt das Projekt aktuell noch die Anerkennung durch Hochschulen. Im Gespräch ist außerdem ein Master mit der IHK Schleswig-Holstein: Hier würden drei Bausteine des Technischen Betriebswirts (IHK) (DQR 7) mit drei mikro- und nanotechnologiespezifischen Bausteinen der Microtec Academy für Führungskräfte kombiniert. Eine weitere Option wäre ein Master of Science mit der Hochschule Kaiserlautern: Die Bausteine des IHK-Masters würden hier um Module der Hochschule erweitert.

Mit all diesen Maßnahmen will das Projekt „BM = x³“ dazu beitragen, dass Deutschland bei einer der Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts konkurrenzfähig bleibt. Und Mikrotechnologinnen und -technologen weiterhin wertvoll – aber zahlreicher und besser sichtbar sind.

Mehr Informationen

  • Einen Überblick über das InnoVET-Projekt „BM = x³“ bietet das Projektprofil.
  • Ausführliche Informationen zum Projekt und zur Microtec Academy gibt es unter bmx3.net

Autor: Benjamin Dresen