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Große Wirkung für kleinste Technik: Microtec Academy stärkt Hightech-Berufsbildung : Datum:

Das InnoVET-Projekt BM = x³ hebt Ausbildung, Aufstiegsfortbildung und Personalentwicklung in der Mikro- und Nanotechnologie auf ein höheres Level: 60 neue Module ermöglichen maßgeschneiderte Angebote für ein hochspezialisiertes Technologiefeld – bei dem die Macher eine „doppelte Explosion“ erwarten.

Ein abgeformter Wafer aus PDMS wird von der Gießform gelöst.
Mikro- und Nanotechnologien stecken in Computern, Smartphones, E-Auto-Akkus und medizinischen Geräten: Mikrofluidische Strukturen werden vom Wafer gelöst. Copyright: FBH/Matthias Baumbach

Oliver Knebusch ist stolz auf das Erreichte, das spürt man als Gesprächspartner, wenn er von der Microtec Academy spricht. Es sprudelt förmlich aus ihm heraus. „Der Hebel, den wir mit der Microtec Academy bedienen, wirkt bundesweit in allen Bereichen der Mikro- und Nanotechnologie. In Unternehmen, in Forschungsinstituten, für Menschen mit verschiedensten Positionen und beruflichen Hintergründen“, fasst der Projektleiter am Regionalen Bildungszentrum des Kreises Steinburg zusammen, und fügt an: „Wir haben viel versprochen, und es hat sehr viel gebracht!“

Bildungsanbieter für High-Tech-Bereich
Nämlich das: Im InnoVET-Projekt „BM = x³“ haben sich acht Partner unter dem Dach der „Microtec Academy“ zu einem überregionalen, dezentralen Netzwerk für die berufliche Bildung in den Mikro- und Nanotechnologien zusammengeschlossen: Das Ferdinand-Braun-Institut, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik in Berlin, die Lise-Meitner-Schule in Berlin, das Regionale Berufsbildungszentrum des Kreises Steinburg in Itzehoe, das Institut für Mikrotechnik an der TU Braunschweig, die Hochschule Kaiserslautern, das Kompetenz- und Kooperationsnetzwerk für intelligente Mikrosystemtechniklösungen Microtec Südwest, das Institut für Berufspädagogik der Universität Rostock sowie das DE:HIVE der HTW Berlin bündeln ihre technischen und personellen Ressourcen. Mikro- und Nanotechnologien sind dabei nicht weniger als der Schlüssel für und die Grundlage von allen neuen technologischen Entwicklungen im High-Tech-Bereich von Computerchips über Sensorik bis Medizintechnik.

Das alles zählt zur Mikro- und Nanotechnologie:

  • Mikroelektronik und Halbleiter
  • Mikrosystemtechnik und Sensorik
  • Aufbau- und Verbindungstechnik
  • Prozesstechnologie und Anlagenentwicklung
  • Organische Elektronik
  • Bio-MEMS / Mikrofluidik
  • Laser / Photonik
  • Batterietechnologie

Dahinter steht die Idee eines „One-Stop-Shop“, wie Oliver Knebusch sagt. „Die Unternehmen der Branche kommen mit ihrem Problem zu uns – und wir finden dafür die passende Lösung.“ Dafür steht ein gut bestückter Baukasten an Hightech-Bildungsinhalten bereit: Die Microtec-Academy-Partner entwickeln 60 fachspezifische Qualifizierungen zur Personalentwicklung zu Technologie- und Management-Themen im Umfang von bis zu 90 Stunden (= 3 ECTS-Punkte), die bereits mit über 1.500 Teilnehmenden erprobt wurden.

Herzstück: vielfältig nutzbare Module
Die 60 Qualifizierungen in unterschiedlichen Formaten (Online, hybrid, Präsenz, Theorie und v.a. Praxis/ Labor/ Reinraum) sind das Herzstück der Microtec Academy und der größte Teil des Hebels, den Oliver Knebusch meint: Die Vorbereitungs-, Fach- und Spezialisierungsmodule stärken die Ausbildung, die Weiterbildung und die Aufstiegsfortbildung in der Branche. In der überbetrieblichen Ausbildung werden sie eingesetzt, um Lehrinhalte zu vermitteln, die die Ausbildungsbetriebe nicht abdecken können. Für spezialisierte Unternehmen können mit ihnen maßgeschneiderte Weiterbildungsangebote zusammengestellt werden. Perspektivisch werden berufsbegleitende Aufstiegsfortbildungen zum Geprüften Berufsspezialisten und zum Master Professional aus den Modulen zusammengefügt oder zum Bachelor Professional sogar bereits umgesetzt.

Bildergalerie: Einblick in die Arbeit von Mikrotechnologen

Nachholbedarf ermöglicht Startup-Ansatz
Aber warum ist der Aufbau einer solchen Microtec Academy überhaupt nötig – wo das Thema doch so wichtig ist? Kaum zu glauben, aber in Deutschland waren zuvor kaum Ausbildungsstrukturen für die Mikro- und Nanotechnologien vorhanden:

  • Pro Jahr beginnen bisher ca. 150 Menschen eine Ausbildung als Mikrotechnologe / Mikrotechnologin.
  • Es gibt wenige ausbildende Unternehmen.
  • Viele Unternehmen können aufgrund ihrer Spezialisierung und der teuren Technik nicht alle Ausbildungsinhalte abbilden.
  • Gleichzeitig gibt es keine Überbetrieblichen Berufsbildungsstätten.
  • Es gibt kaum kommerzielle Bildungsdienstleister für die Weiterbildung.

Dieser akute Nachholbedarf hatte für das Projektteam aber auch Vorteile: Die Mitglieder konnten beim Aufbau der neuen Strukturen und der Lerninhalte relativ frei agieren und die Abstimmungsaufwände waren gering. „Wir konnten arbeiten wie ein Startup: Wir wissen noch nicht genau, was auf uns zukommt, wir bauen auf, wir müssen ein gutes Qualitätsniveau haben und während wir entwickeln, setzen wir parallel um“, berichtet Knebusch aus dem Projektalltag von BM = x³.

Flugsimulator fürs Technologielabor

Virtuelles Technologielabor

Ein besonderes Beispiel für die Verzahnung von digitalem und analogem Lernen ist das in die Lernplattform der Microtec Academy integrierte „Virtuelle Technologielabor“ (VTL). So wie angehende Piloten zunächst im Flugsimulator üben, machen sich Auszubildende hier virtuell und browserbasiert in Lernszenarien mit den teuren Maschinen vertraut. Nach der Sicherheitsunterweisung werden am Prozess zur Herstellung eines Drucksensors die Funktionsweise bis hin zur exakten Maschinenbedienung von aktuell vier Maschinen erfahrbar. Dank dem VTL kommen Lernende optimal vorbereitet zum Intensivkurs ins Labor, kennen die Geräte bereits und können schneller praktisch arbeiten.

Zum brandneuen Erklärvideo zum Virtuellen Technologielabor:
https://youtu.be/y2RnaTZUEtI

„Mehr Leute, mehr Themen“: Die „doppelte Explosion“
Damit ist die Arbeit aber längst nicht abgeschlossen, denn seit dem Förderantrag im Jahr 2020 hat sich die Welt weitergedreht: „Wir haben eine doppelte Explosion – einmal bei den Themen, weil diese Technologie nicht stehen bleibt. Zum anderen werden aus diesem kleinen Umfeld heraus auf einmal sehr viele Leute gebraucht“, sagt Knebusch. In der Tat hat die technologische Dynamik noch zugenommen und erfordert die stetige Weiterentwicklung der Akademie und ihrer Bildungsinhalte.

Hinzu kommt, dass der Bedarf an Fachkräften und Personalentwicklung in absehbarer Zeit stark ansteigen wird. Hier seien nur die milliardenschweren Ansiedlungen von Chipfabriken in Magdeburg, Dresden und im Saarland als prominenteste Beispiele genannt, für die tausende spezialisierte Fachkräfte gebraucht werden. Hier wächst die Fachkräftelücke bereits jetzt, wie eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft zeigt. „Diesen Bedarf werden wir allein nicht decken können“, schätzt Knebusch die Möglichkeiten – bei allem Stolz auf das Erreichte – realistisch ein.

Herausforderung: Maßgeschneidert statt von der Stange
Trotz der absehbar großen Nachfrage: Die zukünftige Finanzierung des neuen Angebots bleibt eine Herausforderung. Was paradox klingt, klärt Projektkoordinatorin Uta Voigt vom Ferdinand-Braun-Institut, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik, auf. „Weiterbildung in unserem großen Technologiefeld ist etwas Besonderes“, sagt sie. „Es ist nicht so, dass wir einmal Module entwickeln, die dann für möglichst viele Teilnehmende mit möglichst geringem Aufwand immer wieder angeboten werden und Einnahmen generieren.“

Zwar gibt es einige grundlegende Themen, zu denen regelmäßig Kurse für eine große Zahl von Teilnehmenden angeboten werden können. Aber auf der anderen Seite sind die Unternehmen hoch spezialisiert und haben besondere Fortbildungsbedarfe, die mit Pauschalangeboten nicht bedient werden könnten. Das heißt: Für einen wesentlichen Teil des Weiterbildungsbedarfes braucht es maßgeschneiderte, individualisierte Lösungen statt Großserie von der Stange. Teilnahmegebühren werden daher zukünftig nur einen Bruchteil der Finanzierung der Microtec Academy abdecken können. Davon abgesehen, ist die Microtec Academy nicht nur Anbieter branchenspezifischer Personalentwicklung, sondern ein Netzwerk von Akteuren entlang der Bildungskette, das auf regelmäßigen Austausch, Zusammenarbeit und kontinuierliche Weiterentwicklung von Bildungsangeboten angewiesen ist. All das lässt sich nicht in Teilnahmegebühren für einzelne Kurse abbilden.

Das Projektteam führt deshalb aktuell Gespräche mit Unternehmen sowie verschiedenen staatlichen und privaten Akteuren. „Wir sind aktiv auf der Suche nach neuen Kooperationspartnern und freuen uns über Unterstützung bei der Umsetzung unserer hochgesteckten Ziele“, sagt Uta Voigt.

Wenn den Macherinnen und Machern auch das noch gelingt, dann haben sie für ein großes Thema noch Größeres erreicht. Und viel mehr, als sie versprochen hatten.

Mehr Informationen

  • Erste Angebote der Microtec Academy auf der Website mit integrierter Lernplattform: microtec-academy.de
  • Einen Überblick über das InnoVET-Projekt „BM = x³“ bietet das Projektprofil.
  • Ausführliche Informationen zum Projekt und zur Microtec Academy gibt es unter bmx3.net

Autor: Benjamin Dresen