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Die Megatrends meistern: Master Professional in Technologischen Innovationsstrategien : Datum:

Trommelwirbel! Einer der ersten Master-Professional-Kurse in Deutschland biegt auf die Zielgerade ein. Wie die berufsbegleitende Alternative zum Studium frische Ideen in Verkehrsunternehmen bringt – und wie KI Straßenbahnen schneller macht: Das verraten Sebastian Stinner vom InnoVET-Projekt UpTrain und Teilnehmer Björn Peerenboom-Schlömp im Interview.

Lokführer blickt aus Zug auf Schienen vor ihm.
Copyright: Adobe Stock/littlewolf1989

inno-vet.de: Warum braucht es eine Fortbildung „Master Professional in Technologischen Innovationsstrategien“? Fahren in Zukunft sonst keine Busse und Bahnen mehr?

Sebastian Stinner
Sebastian Stinner, VDV-Akademie und InnoVET-Projekt Uptrain Copyright: Privat

Sebastian Stinner: In der Verkehrsbranche sind nach dem Meister innerhalb der Berufsbildung fast keine Fortbildungen mehr möglich und daher wechseln Fachkräfte oft in die akademische Bildung. Unternehmen haben uns außerdem gespiegelt, dass Weiterbildung selten nebenberuflich erfolgt, sondern das Personal dann komplett aus den Unternehmen verschwindet. Deshalb war die Frage: Was können wir tun, damit das Personal den Unternehmen erhalten bleibt? Und was braucht es, damit es nach dem Meister noch einen Fortbildungspfad gibt?

Björn Peerenboom-Schlömp: Das kann ich für mich so bestätigen. Nach meiner Ausbildung im Gartenbau bin ich als Quereinsteiger in die Branche gekommen und habe meine Karriere im Fahrdienst als Bus- und Straßenbahnfahrer begonnen. Ich habe mich innerhalb des Unternehmens weiterentwickelt und neben meinem Beruf meinen Verkehrsmeister absolviert. Anschließend habe ich meinen Fachwirt für Personenverkehr und Mobilität gemacht. Danach habe ich geschaut, wie ich meine Fähigkeiten weiter ausbauen kann und welche Weiterbildungsmöglichkeiten es für mich gibt. Ein akademischer Weg kam für mich nicht infrage, da er neben meiner beruflichen Tätigkeit kaum umsetzbar gewesen wäre. Daher war der Master Professional genau das Richtige für mich!

inno-vet.de: Und aus berufsfachlicher Sicht? Welche Entwicklungen sind im öffentlichen Verkehr zu erwarten? Auf welche Aufgaben möchte das InnoVET-Projekt Uptrain vorbereiten?

Sebastian Stinner: Die ganze Branche ist in einem digitalen Transformationsprozess, getrieben durch den Fachkräftemangel und muss sich verändern. Es geht darum, Personen in den Verkehrsunternehmen weiterzubilden, die neue Impulse und Ideen aufnehmen und in die Unternehmen integrieren können. Wir vermitteln in dem Lehrgang nicht nur Lösungen, sondern auch wie man Impulse von außen verarbeiten kann. An Impulsen haben wir verschiedenste aktuelle Beispiele: Von technischen Innovationen, von verschiedenen Fahrzeugtypen wie Schiene oder Kraftomnibus, in der Infrastruktur, aber auch zu Personal und Führung. Der Lehrgang ist so aufgebaut, bewusst in die Analyse zu gehen. Einen neuen Impuls zu erhalten und zu bewerten: Was bedeutet dieser Impuls für das Unternehmen? Ist er anwendbar? Wie integriere ich ihn? Es geht darum, Fenster zu öffnen, durch die neue Ideen ins Unternehmen kommen.

Björn Peerenboom-Schlömp
Björn Peerenboom-Schlömp, Duisburger Verkehrsgesellschaft AG (DVG) Copyright: Privat

Björn Peerenboom-Schlömp: Für meinen Arbeitgeber, die Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG), ist es von großer Bedeutung, die Digitalisierung voranzutreiben. Autonome Fahrtechnologien gewinnen zunehmend an Bedeutung, da sie eine Lösung für den Mangel an Fachkräften im Fahrpersonal darstellen können. Themen wie die Datenkommunikation zwischen Lichtsignalanlagen, Fahrzeugen und der Infrastruktur werden ebenfalls wichtiger. Hinzu kommt meiner Einschätzung nach das Thema Predictive Maintenance, also die vorausschauende, datenbasierte Instandhaltung von Fahrzeugen. Die Unternehmen müssen entscheiden, wie sie diese Impulse umsetzen. Meine Aufgabe wird darin bestehen, diese Megatrends im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) im Blick zu behalten und sie, wenn möglich, in das Unternehmen zu integrieren.

inno-vet.de: Wie hängen die fünf Handlungsfelder der Fortbildung miteinander zusammen? Wie bereiten sie auf diese Herausforderungen vor?

Sebastian Stinner: Die ersten drei Handlungsfelder sind die zukünftigen Entwicklungen, die den Handlungsspielraum eröffnen. Warum bedarf es überhaupt Innovationen? Wir thematisieren in Handlungsfeld eins die Megatrends und deren Folgen für die Branche. Die Handlungsfelder zwei und drei – „Digitale Technologien und Strategisches Datenmanagement“ sowie „Technische Innovationen“ – sind mögliche Lösungsansätze. Die Handlungsfelder vier und fünf ermöglichen die Umsetzung einer Maßnahme aus den vorherigen Handlungsbereichen im Unternehmen: „Personalentwicklung in Transformationsprozessen“ und „Innovations- und Changemanagement“.  

inno-vet.de: Wen machen Sie mit dem Angebot eigentlich gerade fit? Wer sind die Teilnehmenden?

Sebastian Stinner: Alle neun Teilnehmenden haben in irgendeiner Form einen Werkstatt-Background. Aber in den aktuellen Aufgaben sind sie sehr vielfältig aufgestellt. Sie reparieren Kraftomnibusse oder arbeiten in der Schienenfahrzeugwerkstatt. Wir haben Teilnehmer aus der Unternehmensentwicklung, aus dem Bereich Leit- und Sicherungstechnik, aus der Planung von Bushöfen. Wir haben fast jedes „Gewerk“ aus dem ÖPNV vertreten.

inno-vet.de: Herr Peerenboom-Schlömp, Sie sind einer davon. Was sind aktuell Ihre Aufgaben bei der Duisburger Verkehrsgesellschaft?

Björn Peerenboom-Schlömp: Meine Tätigkeit umfasst die Planung, Ausweitung und Optimierung des Bus- und Straßenbahnnetzes. Dazu gehört auch die Einrichtung von Umleitungen sowie die Vorbereitung von Linientrennungen. Darüber hinaus bin ich für das Haltestellenmanagement zuständig und stelle Konzessionsanträge bei der Bezirksregierung. Diese Position vereint Elemente der Angebotsplanung und der Verkehrssteuerung.

Einblicke in die Mobilität der Zukunft: Die Teilnehmer besichtigen einen autonom fahrenden Shuttlebus.
Einblicke in die Mobilität der Zukunft: Die Teilnehmer besichtigen einen autonom fahrenden Shuttlebus. Copyright: VDV-Akademie

inno-vet.de: Was ist Ihre persönliche Motivation zur Teilnahme an der Fortbildung? Welche beruflichen Pläne verfolgen Sie?

Björn Peerenboom-Schlömp: Nach Abschluss meiner Fortbildung zum Fachwirt für Personenverkehr und Mobilität war ich auf der Suche nach einer Weiterbildungsmöglichkeit hin zur konzeptionellen Planung und Weiterentwicklung im Verkehrswesen. Diese Fortbildung ist mit ihrem Umfang und einem solchen Titel die einzige Option, die mir bekannt ist. Ohne diese Fortbildung hätte ich den Schritt in meinem Unternehmen in diese Richtung nicht machen können.

inno-vet.de: Was sagen Ihre Vorgesetzten?

Björn Peerenboom-Schlömp: Zum Glück habe ich Führungskräfte, die sehr auf Innovation aus sind. Ich habe ihnen meine Idee vorgelegt und zu meiner Freude waren alle davon begeistert. Mein Abteilungsleiter sagte sogar: „Das klingt so spannend, dass ich am liebsten selbst teilnehmen würde!“ Das hat mir zusätzlichen Rückenwind gegeben und zeigt, wie sehr mein Team hinter mir steht.

inno-vet.de: Was möchten Sie mit der Fortbildung in Ihrem Unternehmen weiterentwickeln?

Björn Peerenboom-Schlömp: Nach Abschluss der Fortbildung werde ich in die konzeptionelle Verkehrsplanung einsteigen. Dabei wird es vor allem um Konzepte zur Beschleunigung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) gehen. Solche Konzepte könnten die Priorisierung und die Effizienz des ÖPNV an Lichtsignalanlagen verbessern. Es könnten beispielsweise KI-Systeme mit bereitgestellten Verkehrsdaten trainiert werden, um die optimale Phasenplanung für eine Lichtsignalanlage zu erreichen. Des Weiteren ermöglicht die Datenkommunikation zwischen Fahrzeug und Lichtsignalanlage, dass der Fahrer eine Geschwindigkeitsvorgabe erhält, um ohne Fahrtunterbrechungen an einer Lichtsignalanlage durchfahren zu können. Meine Aufgabe wird sein, solche innovativen Konzepte zu entwerfen und erfolgreich in das Unternehmen zu integrieren.

inno-vet.de: Was sind für Sie die wichtigsten Lerninhalte und warum?

Björn Peerenboom-Schlömp: Besonders interessant fand ich, als Teilnehmer Innovationen aus ihren eigenen Arbeitsbereichen präsentiert haben. Ein Beispiel waren digitale Stadtkarten, die wir bereits für unsere Verkehrsplanung einsetzen. Besonders spannend waren die Besuche in Frankfurt und Monheim, wo bereits autonom fahrende Shuttles im Einsatz sind. Dort konnten wir wertvolle Kontakte knüpfen, die in Zukunft sicher weiterhelfen werden. Für mich persönlich war das Thema Kommunikation zwischen Fahrzeug und Lichtsignalanlage besonders wichtig, da ich mich bei uns im Unternehmen stark für die Beschleunigung des öffentlichen Personennahverkehrs einsetzen möchte. Die Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Fortbildung werden mir dabei sicherlich von großem Nutzen sein.

inno-vet.de: Wie gefällt Ihnen das gemischte Vermittlungskonzept aus Online- und Präsenzlernen und den Exkursionen zu Verkehrsunternehmen, Herstellern und Hochschulen?

Björn Peerenboom-Schlömp: Allgemein finde ich sehr gut, dass wir in der Fortbildung ein so breites Blickfeld erhalten haben. Besonders beeindruckend fand ich die Kooperation mit den Universitäten und den Studierenden. Die unterschiedlichen Perspektiven, die die Studierenden auf das Thema einbringen, haben mir neue Einsichten eröffnet. Die Zusammenarbeit hat gezeigt, wie wichtig es ist, verschiedene Blickwinkel zu berücksichtigen. Auch das Online-Lernen hat in der Regel gut funktioniert. Vor allem die Gruppendynamik war ein wichtiger Faktor für den Erfolg: Die Möglichkeit, gemeinsam Themen während des Kurses und auch danach zu diskutieren, hat viel dazu beigetragen, das Gelernte zu vertiefen.

Uptrain Master Teilnehmende
Die Teilnehmenden am Master-Kurs und das Team vom InnoVET-Projekt Uptrain Copyright: VDV-Akademie

inno-vet.de: Wem würden Sie das Angebot weiterempfehlen?

Björn Peerenboom-Schlömp: Die Fortbildung richtet sich an Mitarbeiter, die sich in Richtung eines Master-Abschlusses weiterentwickeln möchten. Sie ist ideal für diejenigen, die innovative Projekte vorantreiben wollen und generell für alle, die bereit sind, sich neuen Herausforderungen zu stellen.

inno-vet.de: Herr Stinner, wo stehen Sie aktuell mit der Fortbildung?

Sebastian Stinner: Der Kurs läuft noch bis Juni 2024, danach stehen die Prüfungen bei der IHK an. Es gibt die schriftliche Prüfung und eine 30-tägige Projektarbeit, die in einer mündlichen Prüfung besprochen wird. Die Projektarbeit muss eine konkrete digitale Technologie oder eine technische Innovation als Thema haben. Die Teilnehmenden müssen zeigen, dass sie die Handlungsbereiche „Zukünftige Entwicklungen des öffentlichen Verkehrs“, „Personalentwicklung“ und „Innovations- und Changemanagement“ verstanden haben. Sehr ähnlich, wie es an der Hochschule laufen würde!

inno-vet.de: Was sind die Erkenntnisse aus der Erprobung?

Sebastian Stinner: Die wichtigsten Learnings sind: Die Belastung der Teilnehmenden mit 1600 Stunden berufsbegleitendem Unterricht über 16 Monate ist hoch. Wir denken deshalb darüber nach, für eine mögliche Verstetigung die Handlungsbereiche zum Beispiel in Module aufzuteilen. Und: Die Lernortkooperation, vor allem mit den Hochschulen, funktioniert und bringt Vorteile für alle Beteiligten! Dieses Konzept wollen wir auch in anderen Fortbildungen anwenden.

inno-vet.de: Wie sieht es mit der Verstetigung des Angebots aus?

Sebastian Stinner: Wir werden erst ab November 2024 nach den Prüfungen ein finales Bild haben und in die abschließende Analyse gehen, wie wir die Fortbildung verstetigen können. Unser Wunsch ist es, das Angebot wie den vom Projekt UpTrain ebenfalls entwickelten „Geprüften Berufsspezialisten für Elektronik Mobilität“ dauerhaft anzubieten!

Master Professional in Technologischen Innovationsstrategien (IHK)

Voraussetzungen: Abschluss als Techniker/in, Meister/in, Fachwirt/in oder Diplom-, Master- oder Bachelorabschluss in anschlussfähigen Fachgebieten

Prüfung: Dreiteilige Abschlussprüfung (schriftliche Prüfung, mündliche Prüfung, Projektarbeit) durch die IHK Köln

Erprobung: März 2023 – Juni 2024, berufsbegleitend, 900 Unterrichtsstunden in Form von Präsenz-Wochenblöcken sowie wöchentlichen digitalen Abendveranstaltungen

Inhalt: Die Fortbildung verbindet technisches Fachwissen in den Arbeitsbereichen kommunaler Verkehrsunternehmen mit strategischen bzw. projektorientierten übergreifenden Kompetenzen. Teilnehmende bauen ein aktives Netzwerk zu engagierten Kolleginnen und Kollegen auf, lernen in einer firmenübergreifenden Gemeinschaft und erweitern ihren Horizont in kooperativen Lernphasen mit Studierenden.

Die fünf Handlungsbereiche:

  • Prognostizieren und Ermitteln von zukünftigen Entwicklungen im Öffentlichen Verkehr
  • Weiterentwickeln Digitaler Technologien und des strategischen Datenmanagements
  • Planen, Steuern und Überwachen von technischen Innovationen in den Unternehmensbereichen Fahrzeuge, Infrastruktur, Betrieb und Vertriebssysteme
  • Führen und Entwickeln von Personal im Rahmen von Transformationsprozessen
  • Implementieren und Steuern des Innovationsmanagements

Verstetigung und Transfer: Aktuell wird der Lehrgang für eine mögliche Verstetigung überarbeitet. Interessierte, potenzielle Dozierende oder Bildungsanbieter können sich gerne bei Britta Robels unter robels@vdv.de melden und unverbindlich anfragen.

Benjamin Dresen führte das Gespräch.